Gesetz:
Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)
Paragraph:
§ 419 Verfahrenspfleger
Autor:
Holger Winkelmann
Stand:
Winkelmann in: OK-MNet-FamFG (03.05.2013)

1. Allgemeines

2. Bestellungsvoraussetzungen

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1. Allgemeines

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Die Verfahrenspflegschaft ist gegenüber dem alten Recht in § 5 Abs. 2 FEVG erweitert und in Anlehnung an §§ 276f., 317 FamFG geregelt worden. Dazu sah § 5 Abs. 2 FEVG vor:

Die Anhörung kann unterbleiben, wenn sie nach ärztlichem Gutachten nicht ohne Nachteile für den Gesundheitszustand des Anzuhörenden ausführbar ist oder wenn der Anzuhörende an einer übertragbaren Krankheit im Sinne des Infektionsschutzgesetzes vom 20.07.2000 (BGBl. I, S. 1045) leidet. In diesen Fällen ist dem Anzuhörenden, wenn er keinen gesetzlichen Vertreter in den persönlichen Angelegenheiten hat und auch nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten wird, durch das nach § 4 zuständige Gericht ein Pfleger für das Verfahren zu bestellen. Eine einstweilige Anordnung (§ 11) kann bereits ergehen, bevor dem Unterzubringenden ein Pfleger bestellt ist.

Die Figur des Verfahrenspflegers als generell zu bestellenden Beistand kannte das FEVG hingegen nicht (Grotkopp, in: Bahrenfuss (Hrsg.), FamFG, § 419, Rn. 1). Im Gegensatz zum Unterbringungsrecht leiden hier im Freiheitsentziehungsrecht, dass oftmals durch das Abschiebehaftverfahren geprägt ist, die Betroffenen seltener an psychischen Erkrankungen oder seelischen Störungen.

2. Bestellungsvoraussetzungen

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Nach § 419 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist erforderlichenfalls ein Verfahrenspfleger zu bestellen, nach Satz 2 jedenfalls, wenn von der Anhörung des Betroffenen abgesehen werden soll. Von der Anhörung kann unter den Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 und des § 420 Abs. 2, § 427 FamFG abgesehen werden. Im letzteren Fall ist diese unverzüglich nachzuholen.
Für einen geschäftunfähigen, weil z.B. stark alkoholisierten, Betroffenen, der nach Polizeirecht in Gewahrsam genommen wird, ist ein Verfahrenspfleger zu bestellen, welcher zwingend zu beteiligen ist, sofern nicht - z.B. bei Minderjährigen - der gesetzliche Vertreter handeln kann (zur Verfahrensbeteiligung s. § 418 Rn. 3f.). Es könnte jedoch sein, dass ein gerichtliches Verfahren ohnehin unterbleibt, weil der die freie Willensbildung ausschließende Zustand oder die sonst hilflose Lage nur von kurzfristiger Dauer sind (so bei der Ingewahrsamnahme z. B. nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 BPolG). Ähnliches muss nach Dodegge auch für Ausländer gelten die der deutschen Verfahrenssprache nicht hinreichend mächtig und sich ihrer Rechts nicht sicher sind (Dodegge, a.a.O., § 419 Rn 3. AA Grotkopp, a.a.O. mit Hinweis auf eine Dolmetscherbeiziehung).

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Die Bestellung nach Abs. 1 Satz 1 ist in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt. Das Gericht hat daher zu prüfen ob der Betroffene seine Verfahrensrechte selbst sachgerecht wahrnehmen kann. Über diesen begrenzten Anwendungsbereich hinaus ist wegen der Schwere des Grundrechtseingriffs ein Verfahrenspfleger auch in sonstigen Fällen zu bestellen, wenn der Betroffene seine Verfahrensrechte selbst nicht sachgerecht wahrnehmen kann (vgl. Marschner/Volckart-Marschner, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl. 2001, Abschnitt F, Rn. 8 zu § 5; EGMR, NJW 1992, 2945; Gusy, NJW 1992, 457, 462). Dem trägt nunmehr die umfassende Regelung in Absatz 1 Satz 1 Rechnung (Gesetzesbegründung zu § 419 FamFG,Drucks. 16/6308 v. 07.09.2011).
Der Verfahrenspfleger erhält durch die Bestellung gem. § 418 Abs. 2 FamFG die Stellung eines Beteiligten (s. dort § 418, Rn. 3). Nach § 78 Abs. 2 FamFG ist ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- u. Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Dabei kommt es nicht nur auf die objektiven Umstände, sondern auch auf die subjektiven Fähigkeiten des Betroffenen an. Ist einem unbemittelten Betroffenen für die Rechtsverteidigung gegen die Anordnung von Haft zur Sicherung der Ab- oder Zurückschiebung Verfkostenhilfe zu bewilligen, so ist ihm i.d.R. auch ein Rechtsanwalt beizuordnen (BGH, B. v. 28.2.2013 – V ZB 138/12 –, juris.).

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Eine Verfahrenspflegerbestellung darf nicht schon deshalb erfolgen, weil der Betroffene der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Die Frage der Hinzuziehung eines Dolmetschers ist eine Prüfung zur Sicherstellung der Verfahrensrechte, die sich aus § 185 GVG, Art. 103 Abs. 1 GG ergibt. Der Zuziehung eines Dolmetschers bedarf es nach § 185 Abs. 3 GVG nicht, wenn der Richter der Sprache, in der sich die beteiligten Personen erklären, mächtig ist (so auch Budde, in Keidel, FamFG, 17. Aufl., § 419, Rn. 6). Die schriftliche Übersetzung des gesamten Beweismaterials oder amtlicher Schriftstücke des Verfahrens in allen Einzelheiten ist hingegen nicht notwendig (Budde, a.a.O., § 418, Rn. 10). Siehe zu Problematik der Anhörung weiter bei § 420).

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Der Verfahrenspfleger muss auch geeignet sein, die Prozesshandlungen angemessen wahrnehmen zu können. Im Einzelfall kann es daher der Bestellung eines Rechtsanwalts bedürfen, der im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe beigeordnet werden kann. Die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll dann unterbleiben oder aufgehoben
werden, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden (Abs. 2).

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Die Bestellung endet, wenn sie nicht vorher aufgehoben wird, mit der Rechtskraft des Beschlusses über die Freiheitsentziehung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens (Abs. 3).
Die Bestellung eines Verfahrenspflegers oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar (Abs. 4).
Für die Vergütung und den Aufwendungsersatz des Verfahrenspflegers gilt § 277 entsprechend. Dem Verfahrenspfleger sind keine Kosten aufzuerlegen (Abs. 5).

 

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